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Alpencross 2017- Tag 3

01.08.17

Tag 3- Heilbronner Hütte - Sesvenna Hütte

74km-2200HM

 

Gut schlafen ist anders, denke ich mir als ich mich aus meinem Hüttenschlafsack schäle. Die Nacht war kurz, immer wieder bin ich aufgewacht und habe meinen Schlafsack zurechtgerückt. Schnell Zähne putzen, alles zusammenpacken und ab zum Frühstück. Die wichtigste Mahlzeit des Tages, ist eher spartanisch. Zwei Scheiben Brot mit Marmelade, ein bisschen Wurst, und dazu irgendwas, was Kaffee sein soll... Extrawünsche müssen extra gestellt werden. Dazu haben wir keine Zeit, heute steht die Königsetappe an. Heute wollen wir den Alpenhauptkamm überqueren. Die Wasserscheide Europas, von da aus, fließt dann alles Wasser Richtung Mittelmeer. Und vor allem, die Uina Schlucht durchqueren, unser persönliches Highlight des Alpencross.

Die im Trockenschrank über Nacht getrockneten Klamotten noch schnell einpacken, die Zeche zahlen und wieder rauf auf den Bock. Das tägliche Standardprozedere, Luftdruck checken, Kette prüfen, schmieren,  Höhenprofil an den Lenker zippen, ist inzwischen schon Routine. Dann geht es schon rasant auf einer Forststraße Richtung Tal, zum Koppstausee. Die ersten Sonnenstrahlen begrüßen uns, und uns wird schnell warm. Am Stausee im Tal angekommen, versperrt uns eine Schranke und ein Verbotsschild den Weg auf den Staudamm. Ein Foto von "nebenan" muss reichen. Weiter gehts. Am See vorbei, über eine Teerstraße ins Tal nach Galtür. Ah ein Bäcker, zweites Frühstück fassen, Trinkflaschen füllen und weiter gehts über ein kurzes Stück Hauptstraße, weiter auf die "ausgewiesenen MTB Strecken" Ischgls. So breit, das mühelos Lastwagen, und/ oder rein zufällig Forstmaschinen wie Harvester und Co. die Wege befahren können, wie praktisch... Marcus erkennt eine Skipiste wieder, die er bereits schon einmal heruntergefahren ist. Tja, die müssen wir jetzt hoch. Extrem steil, geht es hoch Richtung Fimbatal. Die Sonne brennt inzwischen erbarmungslos vom Himmel. Nach einer Weile verengt sich das Tal wie ein Nadelöhr, und wir finden uns in Scharen von Wanderern, und anderen Bikern wieder. Ein paar kurze Smalltalks während der Fahrt verkürzen den Anstieg etwas. Der Wind bläst unbarmherzig von vorne. Wie ein Kanal führt uns der Weg weiter in die Einöde. Wie eine Karawane mit nur einem Ziel, pedalieren die Biker  in Horden Richtung Talschluss und Schweizer Grenze. 

Endlich, die Heidelberger Hütte, Mittag! 

Ein leckeres Mahl, ein alkoholfreies dazu, die Sonne genießen. So kanns weitergehen! 5 Meter von uns entfernt auf der Nachbarwiese tummeln sich die Murmeltiere, wunderbar! 

Na gut wir müssen weiter, wir packen ein und machen uns auf den Weg. Nur 50m weiter müssen wir über eine kleine Brücke. Dort ein Schild, das uns die Gesichtszüge entgleiten lässt: "Die Uina Schlucht ist wegen des schweren Unwetters von vor zwei Tagen nicht passierbar". Wir sehen uns ungläubig an. Mir wird schlecht. Mir geht alles durch den Kopf, war's das jetzt? Mitten im Nirgendwo? Wir rollen zurück zur Hütte, vielleicht weiß jemand mehr. Von der Bedienung bekomme ich eine ausgedruckte Email in die Hand, in der die genauen Sperrungen drinstehen. Scheinbar war das Unwetter, dem wir am ersten Tag nur knapp entkommen sind, in der Schweiz eine Naturkatastrophe. 

Jetzt muss ich mich, über mich selbst ärgern das ich kaum Kartenmaterial dabei habe, bzw. nur kleine Ausschnitte, über die zu fahrende Route, nicht genug um weitläufige Ausweichrouten zu erstellen.

Was machen, wir sind ratlos. Ich fasse unsere Möglichkeiten zusammen, umdrehen steht ausser Frage... Wir haben ausserdem einfach zu wenig Informationen, um genau zu wissen wo denn nun Schluss ist mit unserer Reise. Wir beschließen jetzt erstmal unserer Route weiter zu folgen, vielleicht ergattern wir unterwegs neue Infos. Wir schieben also los auf den Fimbapass. Steil im Zickzack schlängelt sich der Weg hinauf. Wir sind still, in unseren Köpfen malen wir uns unser Scheitern aus. Zu allem Überfluss geht uns das Trinkwasser auch noch aus. Die Laune ist wieder am Tiefpunkt. Eine kleine Pfütze tut sich auf. Nicht sauber, aber das macht meinem Mini Saywer Wasserfilter nichts aus. Er ist mein bester Freund auf Tagestouren, Dreckwasser in den Plastikbeutel füllen, Filter daraufschrauben und dann sauberes zu 99% gereinigtes Wasser in die Trinkflasche drücken. Auch wenn die meisten Quellen und Brunnen in den Alpen sauber sind,(viel sauberer als das Trinkwasser daheim...) kann man nie wissen, auf Weiden mit Viehbetrieb vor allem. Und bei einem Alpencross kann ich keinen verstimmten Magen gebrauchen. 

Mit frisch gefüllten Flaschen geht's weiter. Oben am Pass angekommen, bessert sich unsere Laune, diese Aussicht!

Eine andere Gruppe aus 5 Bikern und einer Bikerin erreicht uns. Wir halten wieder Smalltalk, essen einen Riegel. Sie stehen vor dem selben Problem, wissen aber auch nicht mehr. Als dann beginnen wir den Abstieg. Die Gegend ist Atemberaubend, weit und breit kein Mensch, kein menschlicher Einfluss, nur Natur, umzingelt von 4000ern. Zum Fahren ist es uns zu riskant. Die Absturzgefahr ist allgegenwärtig. Langsam beginnt wieder Zivilisation, wir kommen an 2 Berghütten vorbei, müssen dazu über eine kleine Brücke, die zur Hälfte abgebrochen, und weggeschwemmt wurde.  

Ein Auto erreicht gerade die Hütte, und bringt Vorräte. Scheinbar wurde der Weg gerade erst wieder frei.

Wir fahren eine Teerstraße hinab, neben uns der Bachlauf. Immer wieder sehen wir das Ausmaß dieser Naturkatastrophe, eine Mure um die andere die sich den Weg Tal einwärts gesucht hat. Den Bachlauf auf teilweise weit über 30 Meter verbreitert hat. Eine große Steinmure die ein 20m breites Loch ins Tal gerissenen hat müssen wir hinab klettern, und überqueren um wieder auf den Weg zu kommen. Felsbrocken groß wie Kleinbusse die locker rum liegen, lassen uns vor Ehrfurcht erstarren. Die Abfahrt wird immer wieder zur Kletter- und Schiebepartie. Endlich kommen wir oberhalb des Inntals in Ramosch an. Ich versuche die Karte zu checken. Ein Anruf auf der Sesvenna Hütte bleibt erfolglos, keiner geht ran. Ein paar andere Biker erklären uns, die Sesvenna Hütte sei von der Aussenwelt abgeschnitten und überall lägen Strommasten und Leitungen am Boden. 

Von meinem Plan der die Abfahrt über gereift ist, bis Sur En den Anfang des Uphills zur Uina hoch zu fahren und es eventuell zu versuchen, komme ich nun ab. Das Risiko ist zu hoch. Wir sind ohnehin schon spät dran heute. Wenn wir es dennoch versuchen und scheitern, müssen wir wieder ins Tal nach Sur En, und dann wird es stockdunkel sein. Dann sieht es erst recht düster aus, denn von Sur En geht es in jede Richtung bergauf.

Ein Anruf bei bei meinem Schatz zu Hause könnte helfen. Ich erkläre ihr unsere Situation, sie soll den Rechner hochfahren und das Kartenmaterial nach Alternativen checken. 

Nach ca. einer halben Stunde, nachdem meine liebste nochmal probierte, die Sesvenna Hütte vergebens zu erreichen, konnten wir den Reschenpass, den niedrigsten Übergang über den Alpenhauptkamm als Alternative ausmachen. Der wäre noch vor Einbruch der Nacht zu überqueren, und der Umweg den wir am nächsten Tag auf uns nehmen müssten wäre verkraftbar. Im Jahre 2012 war ich mit Schatzelchen im Vinschgau zum Biken, wir fuhren damals über den Reschenpass in den Vinschgau und nicht über den schnelleren Brenner. Dadurch wusste ich das der Umweg auf der morgigen Etappe uns keine Probleme machen wird, da der Vinschgau sich von Norden nach Südosten immer schön bergab bewegt. Ich freue mich, das der Bike Urlaub 2012 uns nun so weiterhilft, da ich nun weiß, was uns auf diesem Umweg erwartet. Wüsste ich nicht das der Vinschgau, von Norden nach Süden für selbst total untrainierte locker zu durchqueren ist, wäre unser Alpencross wahrscheinlich in Ramosch vorbei. Also los, über den Reschenpass. So fuhren wir statt nach Süden und dann nach Osten rauf über die Uina Schlucht (eigentlich unser erklärtes AX Highlight) zur Sesvenna Hütte, nach Norden die Straße entlang Richtung Reschenpass und Österreichische Grenze. Am Anfang der Serpentinenstraße beim Grenzhäuschen eine Schar Biker, alle scheinbar vor dem selben Problem. Wir verlieren keine Zeit, und packen den Uphill an. Es fährt sich gut, mal werden wir überholt, mal überholen wir eine Gruppe. Ein Einzelner MTBler meint wohl wir jagen ihn, und geht immer wieder in den Wiegetritt um den Vorsprung zu halten... Giro Feeling kommt auf... Wir machen uns ein bisschen über ihn lustig und genießen den Anblick wie er sich regelrecht K.O. fährt. (Ein bisschen Gehässigkeit muss sein....) Bei der vorletzten der insgesamt 11 Kurven haben wir ihn dann eingeholt und überholen ihn mit einem freundlichen Gruß.

Oben angekommen geht die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit los. Biker überholen uns wieder, es ist bereits nach 17 Uhr. Es artet in ein Rennen um die letzten Schlafplätze aus... Wir lassen die ersten Hotels gleich links liegen und fahren tiefer nach Nauders rein, in der Hoffnung den anderen so zuvor zu kommen. Ein Garten mit dem Schild Ferienwohnungen fällt uns auf, am Eingang fegt ein älterer Herr gerade den Eingang. Marcus fragt freiweg ob ein Zimmer frei sei, und was es denn koste. Natürlich, und kostet 50€... Wir sehen uns an, und freuen uns! Klar nehmen wir! Unsere Gastgeber sind dermaßen hilfsbereit und zuvorkommend, das wir denken, wir träumen. Wir bekommen für den Preis eine komplette Ferienwohnung mit eigener Küche und einen 5m Balkon. Frühstück aufs Zimmer... wir sind den Tränen nahe... Nach all dem Pech heute, gehts morgen fast nur bergab am Reschensee vorbei nach Glurns, und somit wieder auf die geplante Route, den "leichtesten" Tag. Morgen geht's locker über 2 kleine Pässe nach Trafoi.

 

Abenteuer fängt da an, wo der Plan aufhört!

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